Das Mars-Koma (www.boox.bz) by Ian Watson

Autor:Ian Watson [Watson, Ian]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-10-06T16:00:00+00:00

Elf

Die beiden Inkas fuhren in einem Jeep, den Baltasar Quispe steuerte. Vorn war eine Fahne angebracht: ein Silberkondor, der seine Schwingen vor einer goldenen Sonne ausbreitete. Julio trug ein rotes Fransenband um den Kopf, wie er es im Museum gesehen hatte; Angelinas Schläfen waren mit zinnoberroten Streifen bemalt, die sich bis über ihre Augen erstreckten. Er glaubte zu spüren, daß sie an diesem Morgen fröhlicher war – zu handeln wirkte wie ein Anregungsmittel.

Dicht hinter dem Jeep folgten vier Lastwagen, mit Campesinos und Soldaten bemannt. San Rafael, ihre provisorische Hauptstadt, hatten sie jetzt hinter sich gelassen: ihr neues Cuzco, Nabel der vier Viertel der Welt. Ihr Ziel war das Bergwerkzentrum von Aracayo, wo der Inka einst als gewöhnlicher Mann gearbeitet hatte. Hinter dem Jeep erschollen die Stimmen in einem Kriegsgesang, der von Fiesta zu Fiesta weitergereicht worden war.

»Wir pflastern die Straßen

Mit des Feindes Knochen!

Aus seinen Zähnen

Machen wir Halsketten!

Seine Haut wird zu Trommeln,

Sein Schädel zum Becher,

Und wir werden trinken,

Und wir werden singen!«

»Das Fieber der Sonne!« rief Julio leidenschaftlich. »Das hat uns angerührt. Verursachen ihre Strahlen nicht Wandlungen in Tieren und Menschen? Diese Maschine ist dorthin geflogen, wo es keine Luft gibt und die Sonne nackt ist, und es hat sie zu uns hinabgezogen. Jetzt sehen wir die Strahlen der Welt, Strahlen der Kraft, die überallhin führen. Ich habe gehört, die Yanquis haben einmal eine künstliche Sonne über dem Meer abgeworfen, die die Formen aller Fische verändert hat. Fische können nur ihre Form verändern. Wir haben Gedanken. Schau zur Sonne, Angelina. Schau, wie sie sich verdoppelt, wenn du wieder wegschaust. So geht es mit uns. Unsere Gedanken verdoppeln sich und tanzen für uns!«

»Den ersten Inka hat keine Maschine angerührt, Julio. Ich bin verwirrt.«

»Du hast recht. Aber er lebte näher am Himmel als alle anderen Leute. Schon bald werde ich Maschinen bauen und das Sonnenlicht auf die Schutthalden bei den Bergwerken konzentrieren. Reichtum wird fließen. Alle Bergleute werden sich uns anschließen.«

Der Gesang der Inka-Soldaten pries jetzt Julios Worte, die die Herzen der Bergarbeiter ohne Kampf gewinnen würden. Sie sangen von der Sprech-Sprech-Blume, Lima-Lima, die hoch über der Schneegrenze lebt und die Tauben heilt.

»Hee, Lima-Blume, sprich zu ihnen,

Wie du zu uns sprichst!

Hee, Lima-Blume, du hast die Sonne gegessen,

Also sprich zu ihnen, Lima, sprich!

Und wenn sie ein Messer auf dich schleudern,

Zerstampfen wir sie alle wie Chuno,

Wir zermahlen sie alle wie Chili,

Wir klopfen sie mürb wie gedörrten Hammel!

Aber sprich, Lima-Blume,

Du mußt nur sprechen!«

Angelinas Zöpfe, die vom Urin glänzten, schwangen hin und her; schwarze Bänder, die die kalte, am Jeep vorbeirasende Luft peitschten.

»O ja, du bist die Blume, von der sie singen, Julio. Aber eine Blume hat ihre Wurzeln immer noch in der Erde, auch wenn sie das Sonnenlicht von oben in sich aufsaugt. Was mit uns geschehen ist, muß ebenfalls Erdwurzeln haben.«

Sie starrte zum Himmel. Sie sah einen Mann, der auf dem Rücken eines Kondors zum Himmel hinaufflog. Er hatte einen Klumpen Hammelfleisch bei sich, um den Vogel während des Flugs zu füttern. Der Kondor war so hungrig, daß er bald das ganze Fleisch verschlungen hatte. Der Mann mußte Streifen aus seinem eigenen Fleisch schälen, um den gierigen Schnabel zu stopfen.

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